Dach decken als Service Public?

Dach decken als Service Public?

 

Vor dem Hintergrund der kürzlichen Übernahme der Guggisberg Dachtechnik AG durch das ewb
stellen sich der FDP in folgenden Themenbereichen Fragen:


A) Konflikt mit Zweckartikel und reglementiertem Tätigkeitsbereich

Nach gängiger Rechtsprechung stützt sich das Tätigkeitsgebiet von Unternehmen auf den in den
Statuten und dem Handelsregister stipulierten Zweckartikel. Der Zweck von ewb ist wie folgt definiert:


„Erfüllt öffentliche und gewerbliche Aufgaben in den Bereichen Energieversorgung (Elektrizität, Gas,
Fernwärme), Wasserversorgung, thermische Kehrichtverwertung und Fernmeldedienste auf dem
Gebiet der Stadt Bern. Ist berechtigt, auch ausserhalb dieses Gebietes tätig zu werden.“
Gemäss ewb-Reglement (ewr) Art. 4.1 ist das Tätigkeitsgebiet sogar noch enger beschränkt:
„ewb gewährleistet im Rahmen der übergeordneten Gesetzesbestimmungen jederzeit für das Gebiet
der Stadt Bern die Wasserversorgung und die thermische Kehrichtverwertung sowie die Versorgung
der Kundinnen und Kunden aller Abnahmekategorien mit Energie (Elektrizität, Gas und Fernwärme).“


Mit Beschluss Nr. 197/2003 vom 22. Mai 2003 hat der Stadtrat dieses Tätigkeitsgebiet um zwei
Punkte ausgebaut, ewb ist seither berechtigt:


a) Leistungen gemäss Absatz 1 auch ausserhalb des Stadtgebietes zu erbringen;
b) Fernmeldedienste anzubieten.
Der Zweckartikel der Guggisberg Dachtechnik AG ist im Handelsregister wie folgt definiert: „Zweck der
Gesellschaft sind Arbeiten, Reparaturen und Beratungen im Bereich Spenglerei, Blitzschutz,
Metalldächer und -bekleidungen, Steil- und Flachbedachungen sowie Sanitärleistungen.“ Die
Guggisberg Dachtechnik AG war vor der Übernahme durch das ewb ein privat gehaltenes
Unternehmen.


Frage 1: Auf welchen Artikel der Statuten bzw. des ewb-Reglements resp. auf welchen Stadtratsoder
Volksbeschluss stützt der Gemeinderat den Entscheid, dass die öffentlich-rechtliche
Anstalt ewb einen offensichtlich nicht ihrem Zweck entsprechenden Betrieb aus der
Privatwirtschaft übernommen hat?


Frage 2: Inwiefern unterscheidet sich die Guggisberg Dachtechnik AG von einem anderen bzw.
privaten Anbieter?


Frage 3: Sind weitere Unternehmensakquisitionen vorgesehen, welche nicht durch den Zweckartikel
von ewb abgedeckt sind?


B) Konflikt mit der Eignerstrategie Energie Wasser Bern (ewb)

Gemäss Eignerstrategie ist ewb primär eine Grundversorgerin. Daneben soll sich ewb auch als
Anbieterin von „Effizienzdienstleistungen“ positionieren dürfen. Effizienzdienstleistungen sind in der
Strategie und in Art. 11 ewr mit „Beratungsleistungen zur Verbesserung der Energieeffizienz“
umschrieben. Die Chancen des Marktes soll ewb „mit Augenmass“ nutzen. Das ewb kann ihre
Dienstleistungen ausserhalb des Gemeindegebietes anbieten, „eine flächendeckende Ausbreitung in
den Grossraum Bern wird nicht angestrebt“.


Gemäss Medienmitteilung vom 13.01.2011 bezeichnet ewb die Guggisberg Dachtechnik als
„Marktführerin“ im Espace Bern. Zusammen mit den anderen ewb-Tochtergesellschaften Bären
Haustechnik AG und Bären Elektro AG soll die Guggisberg Dachtechnik AG in den nächsten Jahren in
ein „integrales Gebäudetechnik-Unternehmen“ transferiert werden. „Dadurch entsteht ein in der
Region einzigartiges Kompetenzzentrum für Haustechnik und Gebäudehüllen“.


Frage 4: Wie stellt sich der Gemeinderat zu der offensichtlichen Verletzung der Eignerstrategie? Wo
bleibt das „Augenmass“ und warum erlaubt er ewb nun doch die strategiewidrige
„flächendeckende Ausbreitung in den Grossraum Bern“?


C) Verbot der Quersubventionierung
Die Eignerstrategie (Art. 3.4 + 5.3) und auch das ewb-Reglement (Art. 33) verbieten ewb, die
Quersubventionierung ihrer Angebote und Leistungen unterhalb der kostendeckenden Kalkulationen
anzubieten.


In der Gemeinde Bern erbringt ewb die Gas- und Wasseranschlussleistungen für Haushalte und
Betriebe als Monopolist, ausserhalb privater Konkurrenz. Diese Dienstleistungen werden offenbar
über den vom Branchenverband empfohlenen Ansätzen in Rechnung gestellt. Dieselben
Dienstleistungen werden nun in den Umlandgemeinden unaufgefordert und der oben erwähnten
aggressiven Verdrängungsstrategie folgend ebenfalls angeboten. Erstaunlicherweise werden hier die
Ansätze offenbar deutlich unter den Verbandsrichtlinien festgelegt, was dazu führt, dass private
Anbieter nicht mehr konkurrenzfähig offerieren können.


Fragen 5:
5.1 Wie stellt sich der Gemeinderat zu der offensichtlichen Verletzung der Eignerstrategie und des
Reglements betreffend das Verbot der Quersubventionierung?
5.2 Welche Massnahmen hat er angeordnet, damit diese Reglementsverletzungen inskünftig
unterbleiben?
5.3 Mit welchen Mitteln kontrolliert der Gemeinderat die Einhaltung von Strategie und Reglement?


D) Verstaatlichung der privaten clean tech Branche?

Der Gemeinderat hat den Ausstieg aus der Nuklearenergie im vergangenen Jahr unter anderem mit
der zu erwartenden „clean tech Initiative“ begründet. Die Investitionen in alternative neue Energien
sollen zusätzliche Arbeitsplätze schaffen, welche den Arbeitsplatzverlust in den KKW weit übertreffen
werden.


Frage 6: Nach der Übernahme der Bären Haustechnik AG, der Fritz Krebs AG und der Guggisberg
Dachtechnik AG stellt sich die berechtigte Frage, ob der Gemeinderat damit gemeint hat,
dass die neuen Arbeitsplätze primär im staatlichen Sektor entstehen sollen?


Frage 7: Warum verlässt der Gemeinderat das in der Schweiz bewährte und allgemein anerkannte
Subsidiaritätsprinzip, wonach der Staat nur Leistungen erbringt, die durch die
Privatwirtschaft nicht bereits angeboten werden?


E) Staatliche Wellness-Angebote

Das erklärte Ziel von ewb bei der Übernahme der Beteiligungen war, die Kundinnen und Kunden „bei
der Erreichung der von Stadt, Kanton und Bund für die Verbesserung der Energieeffizienz gesetzten
Ziele zu unterstützen“. Die kürzlich in alle Haushalte verteilte Broschüre „BadeWelten“ (Beilage) von
Bären Haustechnik AG propagiert luxuriöse Badewelten mit energieintensiven Whirlpools,
aufwändigen privaten Spa’s und „Individualität nach Mass“.


Fragen 8
8.1 Entsprechen diese (neuerdings staatlichen) Angebote der Vorstellung des Gemeinderates
betreffend förderungswürdiger Energieeffizienz und verdichteter Bauweise?
8.2 Falls nicht, wie stellt der Gemeinderat die Zielerreichung in Zukunft sicher?
8.3 Falls doch, glaubt der Gemeinderat, dass er durch eine solche staatliche Beeinflussung auf der
Angebotsseite die Nachfrage in die gewünschte Richtung lenken kann?
8.4 Erachtet der Gemeinderat das Propagieren von „BadeWelten“ als öffentliche Aufgabe und somit
als Service Public von ewb (es handelt sich um eine 100% Tochtergesellschaft von ewb)? Wenn
ja, warum?


Begründung der Dringlichkeit:

Gemäss erwähnter Medienmitteilung sollen die erworbenen Unternehmen in den nächsten Monaten
strategie- und reglementwidrig zu einem „einzigartigen Kompetenzzentrum für Haustechnik und
Gebäudehüllen in der Region“ verschmolzen werden. Damit würde das grösste Kompetenzzentrum für
Haustechnik und Gebäudehüllen im Kanton Bern entstehen. Um rechtzeitig ein politisches
Gegensteuer geben zu können, darf der Stadtrat eine rasche Klärung dieser Fragen erwarten