Neujahrsansprache vom 8. Januar 2018 im Rathaus Bern

Neujahrsansprache vom 8. Januar 2018 im Rathaus Bern

 

Sehr geehrter Herr Nationalrat, 

Sehr geehrte Herren Regierungsräte,
Sehr geehrte Damen und Herren Grossräte,
Sehr geehrter Herr Staatsschreiber,
Sehr geehrte Frau Oberrichterin und Herr Generalstaatsanwalt,
Sehr geehrter Herr Stadtpräsident,
Sehr geehrte Herren Gemeindepräsidenten und Gemeinderäte,
Sehr geehrte Stadträtinnen und Stadträte,
Liebe Freisinnige,
Werte Gäste

 

Herzlich willkommen beim ersten politischen Anlass des Jahres. Herzlich willkommen bei der FDP.


Es hat Tradition, dass die FDP den Reigen der Neujahrsapéros der politischen Parteien eröffnet, ähnlich wie unsere deutsche Schwesterpartei mit ihrem Dreikönigstreffen. Aber anders als diese, die sich vorgestern wortreich erklärte, wieso sie keine Regierungsverantwortung übernehmen wolle, erklären wir Ihnen hier und heute, dass wir in Kanton und Stadt Bern weiter bzw. wieder Regierungsverantwortung tragen werden.


Es ehrt uns, dass Sie unserer Einladung so zahlreich gefolgt sind. Ein besonderer Willkommensgruss geht an die beiden geschätzten SVP-Regierungsräte und unsere Partner von SVP, CVP und BDP sowie den Stadtpräsidenten. Wenn wir in den nächsten Monaten so geeint auftreten wie heute, dann kommt es gut am 25. März.


Sie haben sich vielleicht gefragt, wieso dieser Neujahrsapéro im Rathaus stattfindet. Auf den ersten Blick scheint es für Politiker nicht sehr originell zu sein, sich an ihrer Wirkungsstätte auch noch zum Umtrunk zu treffen. Es hat denn auch mehrere Gründe, wieso wir in diesem Jahr das Rathaus gewählt haben:

  • Einmal ist es ein persönlicher Grund. Ich bin noch für zwei Tage Stadtratspräsident dieser schönen Stadt. Ich habe dieses Amt mit Freude ausgeübt und danke meiner Partei dafür, dass sie mir ermöglicht hat, dieses Amt ausüben zu dürfen.
  • Zweitens ist es ein politisch - symbolischer Grund. Die FDP steht vor wichtigen Wahlen in Regierung und Grosser Rat. Wir stehen ante portas, um politische Verantwortung in diesem Kanton zu tragen – und in der Stadt in drei Jahren wieder in den Gemeinderat zurückzukehren. Dafür müssen wir noch diese Treppe hoch. 
  • Drittens ist es ein demokratiepolitischer Grund. Ich habe mit meinem Vorgänger im Amt angeregt, dass diese Halle der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und eine Ausstellung geschaffen werden sollte, die uns und unseren Gästen unsere Geschichte etwas näherbringt; ähnlich wie Sie dies im Berliner Rathaus oder bei der Hamburger Bürgerschaft erleben können. Das wäre eine Chance, Politik zu erklären. 
  • Viertens ist es ein bauhistorischer Grund. Das spätgotische Rathaus wurde im vergangenen Jahr rechtzeitig zum 600 Jahrjubiläum sanft und geschickt renoviert. Diese eindrückliche Wandelhalle mit ihren rund 1‘000 jährigen Eichenbalken ist Ausdruck des bernischen Selbstverständnisses der damaligen Zeit und kommt dank der neuen Beleuchtung noch besser zur Geltung. Irgendwann müssen wir von diesem Selbstverständnis, das bodenständige Selbstbewusstsein, aber etwas verloren haben. Es wäre an der Zeit, dass wir an diesen glorreichen Zeiten anknüpfen könnten. 
  • Sie sehen: wir haben uns etwas überlegt bei der Wahl der Örtlichkeit, auch wenn wir uns dabei nicht zu den angesagtesten Location-Trendsettern mausern – wie das heute zeitgeistig heisst. 

Im gleichen Jahr, in dem dieses Rathaus eröffnet wurde, kam der wohl bekannteste Schweizer zur Welt: Bruder Klaus, der Eremiten in der Ranft. Der 1947 heiliggesprochene Schutzpatron der Schweiz hat einen Bezug zu Bern. Er hat nämlich 1482 den «ehrwürdigen» Rat von Bern um Geld für seine Kapellenstiftung angefragt. Damals hatte Bern ja noch Geld und überwies Bruder Klaus 40 Pfund. Dieser hat in Verdankung der grosszügigen Spende dem Rat von Bern in einem Brief, der heute noch zu den wichtigsten historischen Dokumenten der Schweiz zählt. Er hat ihm „von Liebe wegen“ Ratschläge erteilt, die noch heute Gültigkeit haben. U.a. hat er den Ratsherren geraten, sich der offenen Sünden zu erwehren und Gerechtigkeit zu fördern. Damit hat er sie aufgefordert, der res publica zu dienen und nicht den eigenen Interessen und den Mut zu haben, sich den Problemen zu stellen. Wenn wir also - das alte Bernische Selbstverständnis vor Augen - mit dienendem Mut (um die Deutung dieser Aufforderung Mani Matters aufzunehmen) den heutigen Herausforderungen stellen, so heisst das für den Kanton Bern, dass wir Rahmenbedingungen schaffen müssen, um wirtschaftlich erfolgreich zu sein und gleichzeitig die gesellschaftliche Verantwortung nicht vergessen. 

  • Ein langfristiges Minimalziel muss sein, dass wir in spätestens 25 Jahren keine Leistungen aus dem Eidg. Finanzausgleich mehr beziehen, sondern dass wir dann wieder – wie zu Zeiten von Bruder Klaus – geben können statt nehmen müssen.
  • Das tönt einfach, ist es aber nicht. Das setzt voraus, dass wir
    • die Strategie, zum führenden Standort für Hightech Medizin und Medizinaltechnik mit internationaler Ausstrahlung zu werden, konsequent weiterverfolgen und umsetzen, und den Forschungsstandort massiv verstärken, damit die besten Fachkräfte nach Bern kommen, 
    • die raumplanerischen Voraussetzungen schaffen, damit wir uns überhaupt entwickeln können, unternehmerisch, verkehrstechnisch und als Wohnzentrum, 
    • die Steuern auf den Schweizer Durchschnitt senken, nicht nur immer davon sprechen, sondern es endlich tun. 

Damit wir diese und viele weitere Ziele erreichen können, brauchen wir eine starke innovations-, bildungs- und wirtschaftsfreundliche Mehrheit in Regierung und Grosser Rat. Dafür wählen wir am 25. März geschlossen das bürgerliche 4-er Ticket mit Philippe Müller in die Regierung und die Liste FDP, jf und digital-liberal.ch in den Grossen Rat.


Für die Stadt Bern heisst das, dass sie den Willen zur aktiven Gestaltung als städtisches Zentrum – politisch, wirtschaftlich wie gesellschaftlich – stärker entwickeln muss. Ich habe den Eindruck, Bern sei daran in einen Dornröschenschlaf abzusinken. Jedes bekommt ein klein wenig etwas, und die meisten scheinen damit zufrieden zu sein. Selbst die Kulturschaffenden verhalten sich irritierend ruhig. Und aus dem Umfeld der Reitschule fliegen weniger Steine als auch schon. Für die einzige politische Innovation der letzten Zeit war der Stadtpräsident gut, mit seinem Vorschlag Ostermundigen einzugemeinden, und das mit dem Hinweis auf die Eingemeindung von Bümpliz, das vor 100 Jahren auch in ernsthaften Schwierigkeiten war. Dieser Vergleich ist zwar historisch so falsch nicht, aber nicht minder problematisch. Beide Gemeinden litten bzw. leiden an der Stadt, und die Stadt tritt als Retterin in der Not auf. Übernahmen unter diesen Umständen sind ein schlechter Ratgeber. Ich möchte nicht, dass sich die Ostermundiger noch in 100 Jahren als Verlierer sehen und ihrer Gemeinde nachtrauern. Wir sagen aber nicht einfach NEIN, sondern JA, ABER und liefern den besseren Lösungsansatz. Die strukturellen Probleme unserer 347 Gemeinden lassen sich am besten dadurch lösen, dass wir die Gemeindestrukturen aufheben und neu durch 40 Politische Gemeinden im Kanton Bern ersetzen, diese dann aber mit sehr viel weitergehenden Kompetenzen ausstatten als bisher. Damit gäbe keine Ostermundigen als Verlierer und eine Stadt Bern als Gewinnerin sondern eine partnerschaftlichen Grossgemeinde Region Bern. Nehmen wir dieses Beispiel zum Anlass, im neuen Jahr mit Freude und Energie den politischen Wettstreit der Ideen spielen und die beste Idee gewinnen zu lassen.

 

Liebe Freisinnige, Sie dürfen wieder mit uns rechnen. Denn die Gestaltungsmacht kann auch aus der Opposition kommen. Wir sagen nicht mehr nur einfach zu allem NEIN sondern wir sagen JA, ABER und wir kommen mit konstruktiven, besseren Lösungen. Wir brauchen in der Stadt Bern eine Politik, die mutiger und entscheidungsfreudiger ist. Wir als FDP wollen eine echte Alternative zu 25 Jahren Rot-Grün sein. Wir wollen Politik nicht zum Selbstzweck machen, sondern tragfähige Lösungen für die Menschen in dieser Stadt erarbeiten. Wir wollen – um es mit Christian Wasserfallen zu sagen – nicht nach links oder rechts, sondern nach vorne.

 

Ich wünsche Ihnen einen optimistischen Start in ein glückliches, erfolgreiches und gesundes 2018. Wir erheben das Glas auf unsere Schweiz und unser Bern. Vivat und zum Wohl!


Bern, den 8. Januar 2018

Dr. Christoph Zimmerli
Präsident FDP Stadt Bern