Standtberner Personalreglement - Faktencheck zum Faktencheck

Am 31. Mai 2023 ist in den Tamedia-Zeitungen ein «Faktencheck» zum Stadtberner Personalreglement erschienen («Werden Berner Stadtangestellte wirklich vergoldet?», hier). Das Referendumskomitee gegen das neue Stadtberner Personalreglement hat mit Befremden und Erstaunen zur Kenntnis genommen, was bei Tamedia als “Faktencheck” bezeichnet werden kann. Die Wertung der Aussagen des Referendumskomitees (sofern die überprüften Aussagen überhaupt vom Komitee stammen) ist in mehreren Punkten unvollständig oder gar fehlerhaft. Wir erlauben uns, zum Faktencheck wie folgt Stellung zu beziehen.

Aussage 1: «Die Stadt kann sich das vorgeschlagene Personalreglement nicht leisten»

Fakt ist

  • In seiner Stellungnahme an den Stadtrat (siehe hier) hat der Gemeinderat beim Teuerungsausgleich geschrieben: “...drohen sich die finanziellen Schwierigkeiten der Stadt zu verschärfen.” 
  • In der Antragsliste, welche dem Stadtrat am 18. August 2023 vorlag (siehe hier) schreibt der Gemeinderat bspw. bei der Verdoppelung des Vaterschaftsurlaubes von vier auf acht Wochen: “Die finanzielle Lage der Stadt erlaubt keine Verdoppelung der heutigen Dauer des Vaterschaftsurlaubs.”

Die Aussage, dass sich die Stadt das vorgeschlagene Personalreglement nicht leisten kann, ist somit nicht falsch. Sie wird nicht nur vom Referendumskomitee vertreten, sondern basiert auf einer Einschätzung des Gemeinderats z.H. des Parlaments. Als Erklärung, wieso die Aussage dennoch falsch sein soll, wird ein Satz aus einer Medienmitteilung aus dem August 2022 zitiert, wonach mit Mehrkosten von mehr als 10 Millionen zu rechnen sei. Die Aussage, dass damit nicht (auch) der Teuerungsausgleich gemeint gewesen sei, wie im Faktencheck behauptet, ist falsch. 

Aussage 2: «Bei einem Ja erhält das Personal automatisch den vollen Teuerungsausgleich.»

Fakt ist

  • Die Sprecherin der schliesslich obsiegenden FSU-Minderheit, welche den Antrag auf Anpassung des Teuerungsausgleichs begründete, hat diesen während der Ratsdebatte selbst als “automatischen Teuerungsausgleich” bezeichnet: “Ich komme zum Teuerungsausgleich, Artikel 26: Wir fordern hier als Minderheit einen automatischen Teuerungsausgleich, um die Kaufkraft zu erhalten, auch wenn die Preise steigen. Die Relativierung mit dem Begriff «grundsätzlich», den der Gemeinderat eingeführt hat, führt zu Willkür und Rechtsunsicherheit. Wir beantragen deshalb, das Wort «grundsätzlich» zu streichen.” (Siehe Protokoll der Stadtratssitzung vom 18. August 2022, Seite 894). 
  • Der Teuerungsausgleich ist “zwingend zu gewähren”. Sofern man sich mit den Sozialpartnern darauf einigen kann, dass sich die Stadt in einer schwierigen finanziellen Lage befindet, kann der Teuerungsausgleich ausgesetzt werden. Er ist dann aber zwingend nachzuholen. Von Gesetzes wegen haben die Gewerkschaften ein Vetorecht gegen die Aussetzung des Teuerungsausgleichs. 

Die Absicht des Stadtrats, den automatischen Teuerungsausgleich zu gewähren, ist klar dokumentiert. Diese Aussage des Komitees als mehrheitlich falsch einzustufen, ist daher faktenwidrig. 

Aussage 4: «Mit einer 40-Stunden-Woche, fünfeinhalb Wochen Ferien und Rentenalter 63 ist das Personal schon heute privilegiert.»

Fakt ist

  • Bei dieser Aussage handelt es sich um eine politische Wertung. Die genannten Zahlen stimmen. Die Aussage dennoch als “teilweise falsch” zu kategorisieren, kommt einer politischen Einschätzung der Autoren gleich und hat nichts mit einem Faktencheck zu tun.
  • Als Beleg, dass diese Aussage nicht korrekt sei, wird auf den Kompromiss von 1992 verwiesen. Dieser Verweis ist insofern unzulässig, als das Personalreglement seither 17 Mal teilrevidiert wurde: Es gab mehrere Lohnerhöhungen, 2019 kamen drei zusätzliche Ferientage hinzu, was einer Lohnerhöhung um 2.7% entsprach, der Gemeinderat plant per 2025 eine weitere Reallohnerhöhung, ohne dass die Arbeitszeit erhöht würde. 
  • Beim Rentenalter wird zwar erwähnt, dass das Personal zwei Jahre früher in die PK einzahlt und somit gleich viele Beitragsjahre hat wie andere auch. Es wird aber unterschlagen, dass die Stadt Bern als Arbeitgeberin zwei Drittel dieser Beiträge und damit deutlich mehr als den gesetzlich vorgeschriebenen Anteil übernimmt. 
  • Der Stadtrat hat einen Antrag der FDP abgelehnt, das Rentenalter der städtischen Angestellten gemäss Bundesgesetz über die AHV festzulegen. Er hat dieses Privileg damit explizit bestätigt. 

Aufgrund dieser Fakten darf die Aussage, dass das Stadtpersonal privilegiert sei, in einem objektiven Faktencheck nicht als falsch bezeichnet werden. 

Diese Einwände wurden auch der Berner Redaktion von Tamedia kommuniziert. Das Referendumskomitee gegen das neue Stadtberner Personalreglement ist der Meinung, dass die mediale Abdeckung der Tragweite der finanziellen Auswirkungen auf die Stadt nicht gerecht wird. Wir würden uns eine grössere Abdeckung sowohl in Quantität wie auch in Qualität wünschen.

Tom Berger, FDP
Sibyl Eigenmann, Mitte
Alexander Feuz, SVP
Claude Grosjean, GLP
Therese Streit, EVP

Für das Referendumskomitee gegen das neue Stadtberner Personalreglement